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Holy Trinity Lutheran Church

 

Feldbericht von Martina Schäfer

(Aufenthalt: 9.-13. April 2006)

 

INHALT:                                                                   

  1. Zusammensetzung und Charakteristika der Gemeinde
  2. Pastoren und Parish Nurse
  3. Gemeindeaktivitäten
  4. Teilnehmende Beobachtung
  5. Fazit

 

1. Zusammensetzung und Charakteristika der Gemeinde

Die Holy Trinity Lutheran Church gehört der Virginia Synode der Evangelical Lutheran Church in America an. Die Gemeinde, die im Jahr 1903 gegründet wurde, liegt in einem der wohlhabenderen Stadtteile von Lynchburg.

Sie zählt aktuell 1088 Mitglieder, deren Durchschnittsalter bei zirka 42 Jahren liegt. Es gibt keine dominierende Altersgruppe, die sehr jungen und sehr alten Gemeindemitglieder sind zahlenmäßig aber am Stärksten vertreten. Was die Sozialstruktur der Gemeinde anbelangt, stellen Mitglieder der (oberen) Mittelschicht die größte Gruppe dar, daneben sind von sehr reich bis sehr arm alle Einkommensklassen vertreten. Der Bildungsgrad ist bei der Mehrzahl überdurchschnittlich bis hoch.

Angehörige von Minderheiten sind in der Gemeinde unterrepräsentiert, ihr Anteil liegt bei unter einem Prozent. Ein Grund dafür ist sicher die Lage der Kirche, aber auch die immer noch sehr stark durch Segregation geprägte Struktur der Kirchen in Virginia.

Die Distanz, die der Großteil der Gemeinde zurücklegen muss, um zur Kirche zu gelangen ist eine 10-15 minütige Autofahrt (was für amerikanische Verhältnisse eher kurz ist). Nur ein geringer Prozentsatz der Gläubigen, gut ein Prozent der Gemeinde, muss eine Fahrtzeit von 25 Minuten oder mehr investieren.

Holy Trinity ist eine stetig wachsende Kirchengemeinde. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre hat sich die Zahl ihrer Mitglieder verdoppelt. Nicht selten sind Neumitglieder mit Angehörigen der Kirche befreundet und gelangen durch diese in die Gemeinde.

Interessenten, die sich der Glaubensgemeinschaft anschließen wollen, müssen einen Kurs besuchen, in welchem folgende Themen behandelt werden 1) Lutherische Geschichte, 2) Glaubenspraxis, 3) Lutherische Theologie, 4) Geschichte der lutherischen Kirche in den USA und 5) die Geschichte von Holy Trinity. Sofern das Neumitglied noch nicht getauft wurde, wird es durch das Sakrament der Taufe in die Gemeinde aufgenommen.

Nach der Charakterisierung der Pastoren sind die Mitglieder der Kirche sehr fellowship orientiert und auf den Kontakt zur „Außenwelt“ bedacht und engagieren sich sehr aktiv für die Gemeinschaft. Die Beziehungen untereinander sind mitunter sehr eng, man unternimmt auch unter der Woche etwas zusammen. Der Teil der Gemeinde, der regelmäßig zum Gottesdienst kommt (und sich aktiv in der Gemeinde engagiert) kennt sich untereinander gut. Die sehr aktiven Mitglieder pflegen teilweise sehr enge Freundschaften.

Die politischen Einstellungen der Gemeindemitglieder divergieren zwischen sehr liberal und sehr konservativ. Die Gespräche die ich mit den meisten Mitgliedern hatte gingen nie so tief, dass ich diese Einschätzung der Pastoren in Frage stellen könnte. Der Eindruck, den ich durch Unterhaltungen gewonnen habe, ist, dass die Gemeindemitglieder, die ich getroffen habe, doch eher progressiv sind.

Die Leitung der Gemeinde haben Pastor Roberts und Pastor Armentrout inne. Neben der Sekretärin beschäftigt die Kirche des Weiteren eine Parish Nurse, auf deren Funktion ich später näher eingehen werde.

Theologisch beschreibt sich die Gemeinde als Mainstream. Als zentrales Entscheidungsorgan fungiert das Church Council, das die Gemeinde aus ihren eigenen Reihen wählt. Turnusmäßig werden jedes Jahr drei Mitglieder neu gewählt. Nach zwei Amtszeiten muss eine Pause von drei Jahren liegen, bevor sich das Mitglied erneut zur Wahl stellen kann.  Alle Mitglieder des Council sind in mindestens einem der Kirchenkomitees vertreten. Ferner existieren eine Reihe von Subkomiteesin der Gemeinde, die bei Bedarf tagen.

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2. Pastoren und Parish Nurse

Pastor Dennis S. Roberts

Pastor Roberts ist ein Absolvent der Washington & Lee University in Lexington, Virginia und des Lutheran Theological Seminary in Gettysburg, Pennsylvania. Seine Priesterweihe war 1987 und bevor er im Jahr 1991 Pastor der Holy Trinity Lutheran Church wurde, war er an der Muhlenberg Lutheran Church in Harrisonburg, Virginia tätig.

Was seine politische Einstellung betrifft, würde ich Pastor Roberts als moderat-liberal beschreiben. Was aber nicht als definitive Einschätzung verstanden werden soll, da ich mich mit ihm in erster Linie über die religiöse Rechte unterhalten habe, ein extrem polarisierendes Thema, und andere Fragen, die relevant für so eine Beurteilung sind, nicht thematisiert wurden. In den Gesprächen mit ihm wurde deutlich, dass er die Entwicklung der religiös-rechten Kräfte in Lynchburg ganz genau verfolgt. So ist er zum Beispiel der Meinung, dass  Jerry Falwell und seine Anhänger in den letzten Jahren – zumindest in Lynchburg selbst – an Einfluss verloren haben. Als Fazit lässt sich anmerken, dass Pastor Roberts sehr aufmerksam anderen gegenüber, ein sehr guter Gesprächspartner und Zuhörer ist. Seine Antworten sind sehr reflektiert und er macht einen sehr nachdenklichen Eindruck. Sein Hauptzuständigkeitsbereich liegt, neben allen anderen in der Kirche anfallenden Arbeiten, auf der theologischen Erwachsenenbildung – zum Beispiel der sonntäglichen Bibelstunde. Während meines Aufenthaltzeitraumes wurde in der Sonntagsklasse der Erwachsenen gerade über die Thesen von John Shelby Spongs BuchThe Sins of Scripture (s.u.) diskutiert.

 

Pastor James L. Armentrout

Pastor Armentrout ist Absolvent des Bridgewater College, Bridgewater, Virginia und des Lutheran Theological Southern Seminary, Columbia, South Carolina. Er wurde im Jahr 1999 zum Priester geweiht und war, bevor er 2003 zur Holy Trinity Church kam, an der United Lutheran Church, Crockett, Virginia tätig. Er kümmert sich in erster Linie um die Kinder- und Jugendgruppen der Gemeinde. Und das mit einer bewundernswerten Ruhe und Gelassenheit. Er hat all meinen Fragen, die ich im gestellt habe um ein Profil der Gemeinde erstellen zu können, geduldig beantwortet. Auch ihm würde ich als moderat-liberal bezeichnen. Er macht einen gebildeten und weltoffenen Eindruck. Zudem ist sehr umgänglich und der Typ von Pastor, der auch mal gern mit den Gemeindemitgliedern zusammen ein Bier trinken geht, vornehmlich abends nach der Zusammenkunft des Church Council. Von der Persönlichkeitsstruktur stellt er eine sehr gute Ergänzung zu dem eher ruhigeren Pastor Roberts dar.

 

Parish Nurse Dawn T. Arrington

Dawn ist die Gemeindekrankenschwester der Holy Trinity Church. Sie erzählte mir, dass Parish Nursing als lutherische Bewegung startete, und in der Zwischenzeit immer mehr Gemeinden eine Krankenschwester beschäftigen, einige davon sogar als Vollzeitkräfte. Dawn arbeitet seit vier Jahren für die Gemeinde. Sie selbst ist kein Mitglied der Gemeinde, sondern gehört einer anderen Kongregation an.

Die Aufgaben der Parish Nurse liegt darin, den Menschen die Ressourcen der Gesundheitsfürsorge zugänglich zu machen. Daneben füllt sie auch eine seelsorgerisch-beratende Rolle aus. Die Idee, die dahinter steht ist, dass die Nurse als Integrator of Faith and Health gleichermaßen spirituelle und gesundheitliche Bedürfnisse bedient, um das Wohlbefinden der Gemeindemitglieder zu verbessern.  Um dies zu bewirken bietet sie unter anderem Gesundheitsberatung an, klärt in wechselnden Kursen über bestimmte Erkrankungen auf, bietet Gesundheitsleistungen in Form von Blutdruckmessungen und ähnlichem an und dient als Anlaufstelle bei jeglicher Art von Problemen.

Dawn ist an zwei Wochentagen in der Gemeinde präsent. Dienstags bietet sie einen Gymnastikkurs für die älteren Mitglieder der Gemeinde an. Mittwochs ist ihr offizieller Office Day, an welchen sie denn ganzen Tag für die Gemeinde tätig ist (Sprechstunde, Haus- und Krankenhausbesuche). Für viele Menschen ist die Parish Nurse die erste Anlaufstelle, die Betroffene – sofern notwendig – an Experten (Arzt, Psychologe usw.) oder den Pastor weiter verweist. Sie fungiert demnach als eine Art Kontaktperson zwischen der Gemeinde und den Pastoren.    

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3. Gemeindeaktivitäten

Gottesdienste

Sonntags finden um 8:30 Uhr und 10:30 jeweils Gottesdienste mit Abendmahl statt. Zwischen beiden Gottesdiensten besteht für alle Altersgruppen die Möglichkeit die Sonntagsschule zu besuchen. Nach beiden Gottesdiensten gibt es im Untergeschoss der Kirche die Möglichkeit, bei Kaffee und Cookies ins Gespräch zu kommen. Mittwochs findet um 12:10 Uhr ein Wochentagsgottesdienst mit Abendmahl statt. Der Gottesdienst folgt einer festen lutherischen Liturgie. Die Gottesdienste, die ich am Palmsonntag besucht habe, waren bis auf eine Taufe, die beim 10:30 Uhr Gottesdienst stattfand, identisch. Nahmen am Frühgottesdienst 70 Personen teil, so war die Zahl beim zweiten Gottesdienst mehr als doppelt so hoch. Die Konzentration auf das Wort und Sakrament wurde auch in der Gruppe der Sonntagsschule deutlich, in welcher über das nicht unumstrittene Buch von John Shelby Spong:The Sins of Scripture: Exposing the Bible's Texts of Hate to Reveal the God of Love diskutiert wurde. Der Autor greift in seinem Buch die Bibelauslegung der Christlichen Rechten scharf an.

 

Weitere Aktivitäten

Neben der Sonntagsschule bietet die Kirche auch unter der Woche Lernprogramme für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Die Programme sind darauf ausgerichtet das Wissen über andere Kulturen und Religionen zu erweitern.

Die Kirche steht in einer langen Tradition von ökumenischer und interreligiöser Zusammenarbeit. So ist neben anderen christlichen Gemeinden auch die Synagoge von Lynchburg an der Emergency Food Pantry (siehe unten), die die Kirche beherbergt, beteiligt.

Des Weiteren hat die Kirche Partnergemeinden in Deutschland (Holzminden an der Weser) und in Papua Neuguinea. Zwischen Holy Trinity und der Gemeinde in Holzminden findet alle drei Jahre ein Jugendaustausch statt. Neben einem Jugend- und Erwachsenenchor hat die Gemeinde auch eine „Ring the Bells Group“, die musikalisch den Gottesdienst begleiten und sich unter der Woche zum Proben in der Kirche treffen.

 

Soziales Engagement 

In ihren Aktivitäten versucht die Gemeinde eine Balance herzustellen zwischen einem Programm, das sich sowohl an Mitglieder wie auch an Außenstehende richtet beziehungsweise am Gemeinwohl ausgerichtet ist. Was das letztere anbelangt, so beherbergt die Gemeinde die Emergency Food Pantry für Bedürftige aus dem Gebiet der Rivermont Area. Das Projekt ist eine Kooperation verschiedener Kirchen aus der Umgebung und der Synagoge in Lynchburg. Die Pantry gibt Lebensmittel an Bedürftige (zu denen auch Mitglieder der Gemeinde zählen) aus, die durch den zuständigen Sozialarbeiter an die Kirche vermittelt werden. Freiwillige Helfer stellen, je nach Größe der Haushalte, Lebensmittelpakete für eine bestimmte Anzahl von Tagen zusammen. Finanziert wird die Emergency Food Pantry durch Spenden der Mitglieder der beteiligten Gemeinden sowie durch lokale und bundesstaatliche Zuschüsse.

Neben der Unterstützung von größeren Projekten, wie der Lutheran Disaster Response und dem Lutheran World Relief, leisten viele Gemeindemitglieder Freiwilligenarbeit oder Spenden für soziale Projekte in  der Nachbarschaft, wie zum Beispiel Daily Bread.

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4. Teilnehmende Beobachtung

Ich wurde sehr freundlich aufgenommen und die Gemeindemitglieder sind zum großen Teil auf mich zugekommen und nicht umgekehrt. Einige von ihnen haben mehrere Jahre in Deutschland gelebt, andere stammen aus Deutschland, haben deutsche Vorfahren, oder sind aktiv in den Austausch mit der Partnergemeinde involviert, so dass es nicht selten vorkam, dass ich auf deutsch angesprochen wurde.

Mir wurden keinerlei Schranken gesetzt, ich konnte an allen Aktivitäten teilnehmen, die während meines Aufenthaltszeitraumes angeboten wurden. Die Angebote diesbezüglich hielten sich jedoch leider in Grenzen. Was zum Großteil daran lag, dass die Pastoren damit beschäftigt waren sich auf die zentralen Feierlichkeiten der Karwoche und auf die Osterfeier vorzubereiten. Ich hatte den Eindruck, dass es vor allem Pastor Roberts sehr unangenehm war mir so wenig „Programm“ bieten zu können. Er betonte des Öfteren, dass es vor zwei oder drei Wochen interessanter für mich gewesen wäre dem Gemeindleben beizuwohnen, da zu dieser Zeit viel mehr Gemeindeaktivitäten stattgefunden hätten.

Wenn es ihm zeitlich möglich war beantwortete Pastor Roberts gerne meine Fragen und ließ sich von mir oder Herrn Gehlen in Gespräche über die Christliche Rechte verwickeln.

Die Mitglieder der Kirche haben einen sehr toleranten Eindruck auf mich gemacht. Ich konnte die Gretchenfrage ehrlich beantworten, ohne mitleidige Blicke oder Bekehrungsversuche über mich ergehen zu lassen. Was bei Lutheranern ja auch nicht zu erwarten war. Das Thema Religion wird, so mein Eindruck von dieser Gemeinde, nicht nach außen gekehrt und eher unter vertrauten Personen thematisiert. Es liegt kein Zwang vor den anderen Mitgliedern stets seinen Glauben zu „beweisen“. Vielmehr ist zweifeln und in Frage stellen, auch was den eigenen Glauben betrifft, erwünscht. Der Weg zu Gott und Jesus wird nicht als eine gerade Entwicklung betrachtet. Zum Ausdruck kam dies, als ich auf meine Aussage „ I have not found my faith yet“ von Teilnehmern der Sonntagsschule die Antwort „neither do we“ erhalten habe.

Interessant waren für mich besonders die Gespräche mit Mitgliedern aus dem Church Council. Der Sitzung des Council, an der ich teilgenommen habe, war gut strukturiert aber von der Art her sehr informell. Der Umgang untereinander war sehr locker und es wurden jede Menge Witze gemacht. Zum Abschluss war ich dann noch mit einigen Mitgliedern auf ein Bier in der Bar in der „Nähe“ (die Distanz war dann doch ein bisschen größer - eine Autofahrt von ca. 10 Minuten – dies war dann mal wieder eines der interkulturellen Missverständnisse der netteren Art ).

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5. Fazit

Als Fazit lässt sich sagen, dass ich den Aufenthalt in der aufgeklärten und sehr sozial engagierten Gemeinde sehr genossen habe. Die Kürze des Zeitraumes und der Mangel an angebotenen Gemeindeaktivitäten vergrößert die Unvollständigkeit meines Feldberichtes, der so oder so nie alle Aspekte vollständig erfassen kann. Wichtig war die Erfahrung für mich persönlich, um eine gewisse Voreingenommenheit, die ich gegenüber religiösen Menschen in Virginia hatte, abbauen zu können. Dies wäre wohl nicht der Fall gewesen, wenn ich nur  konservative Gemeinden besucht hätte.

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