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Wohnraummangel in Deutschland - eine Analyse der sozioökonomischen Ursachen und Effekte

Eine zentrale, aber untererforschte Dimension der Neuen Wohnungsfrage ist die unzureichende Versorgung von Haushalten mit Wohnfläche. Nach Jahrzehnten des kontinuierlichen Wohnflächenanstiegs pro Haushalt und Person in West-, und ab den 1990ern auch in Ostdeutschland, reagieren städtische und insbesondere Mieterhaushalte in den letzten Jahren erstmals mit stark rückläufiger Wohnflächennachfrage auf die Preis- und Mieteninflation. Dieser Trend wird auch durch steigende Überbelegungsraten in europäischen Ländern dokumentiert. So hatten 10% der deutschen Haushalte (und sogar 20% der jungen Haushalte) im Jahr 2020 weniger als einen Raum pro erwachsene Person zur Verfügung (Overcrowding).


Wohnflächenversorgung und Overcrowding sind dabei in der Gesellschaft stark einkommensabhängig, mit einem Gini-Koeffizienten von ca. 20% in Deutschland, laut Daten des des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) (Kohl et al. 2019). Ungleicher Konsum muss zwar nicht per se problematisch sein, hat aber gerade im Fall von Overcrowding eine Reihe gesellschaftlich unerwünschter Folgen.


Unser Projekt legt den Fokus auf Familien, welche bei der Wohnraumfrage mit dem Trilemma der Vereinbarkeit von Familie, Schule und Arbeit konfrontiert sind. So zeigt die bestehende Literatur eine starke Korrelation von Overcrowding mit psychologischem Stress, familiärer Instabilität und geringen schulischen Leistungen. Dies ist im Corona-bedingten Rückzug ins Home-Office und Home-Schooling wie unter einem Brennglas sichtbar geworden. Wohnraummangel hat somit negative Spillover-Effekte auf eine Reihe von Lebensbereichen, die dieses Projekt erstmals mit kausaler Methodik sowie im Kontext der Corona-Pandemie für Deutschland erforschen möchte.


Eine angemessene Wohnraumversorgung ist nicht nur ein zentraler Faktor für die Reproduktion und Allokation von Arbeitskraft, sondern auch ein zunehmend bedeutender Aspekt des Wohlfahrtsstaats. So ist die Wohnungsfrage in den letzten Jahren wiederholt als „die soziale Frage unserer Zeit“ bezeichnet worden.