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Historie des Instituts - Seite 2

Fraenkels Konzept der Amerikastudien

Als Fraenkel 1962 vom Akademischen Senat der FU beauftragt wurde, bereits existierende Pläne zum fächer- und fakultätsübergreifenden Ausbau des bisherigen Amerika-Instituts, das 1954 aus der Amerika-Abteilung des Englisch-Amerikanischen Seminars hervorgegangen war, weiter zu verfolgen und zu konkretisieren, nahm er sich dieser Aufgabe mit vollem Eifer an. Denn er wollte nicht nur Vermittler amerikanischer Politikwissenschaft im Nachkriegsdeutschland sein, sondern auch für Forschung und Lehre über dasjenige Land optimale Bedingungen schaffen, das ihm 1938 Zuflucht geboten hatte. Zudem entsprachen die früheren Planungen im Grundsatz Fraenkels Konzept einer "integrierten Politikwissenschaft", mit dem er dem JFKI seine inhaltliche Ausrichtung verlieh. Man müsse, meinte Fraenkel, auch die Geschichte, Kultur, Wirtschaft und die gesellschaftlichen Strukturen eines Landes kennen, um sein politisches System zu verstehen. Diesen Ansatz verfolgt das Institut bis heute. Mit anfangs sechs, später acht sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern -- Linguistik, Literaturwissenschaft, Kultur- und Medienwissenschaft, Ideen- und Sozialgeschichte, Soziologie, Politik- und Wirtschaftswissenschaft -- verfügt das Institut über eine Vielfalt an Disziplinen mit gemeinsamen Amerika-Schwerpunkt, die es in dieser Form  nirgendwo sonst in Deutschland gibt.

Indem Fraenkel seinem Amerikastudienkonzept nicht etwa die Idee einer paradisziplinären Amerikawissenschaft, sondern das Programm der Bündelung von Amerikabezügen innerhalb der jeweiligen Fachdiskussion zugrunde legte, stellte er sich und das JFKI in die ältere deutsche Tradition der interdisziplinären Auslandskunde. Diese hatte in den 1920er Jahren in der von dem liberalen Publizisten Ernst Jäckh ins Leben gerufenen Deutschen Hochschule für Politik ein institutionelles Dach gefunden. Unter den Nationalsozialisten war die DHfP in die Auslandswissenschaftliche Fakultät des "Gegnerforschers" Franz Alfred Six überführt worden, wodurch die Auslandskunde weitgehend zu einer  Propagandawissenschaft degenerierte. Fraenkels Programmatik setzte auf das innovative Potential einer freiheitlich-emanzipatorisch und demokratisch-pluralistisch verstandenen Auslandskunde, die die Grenzen der Fachdisziplinen transzendierte, aber nicht sprengte. Konkret schlug sich dies vor allem in der Organisationsform des neuen Instituts nieder, die auf dem Prinzip der gleichwertigen Doppelmitgliedschaft der Amerika-Spezialisten im Institut und in ihrem jeweiligen Fach beruhte. Dementsprechend wurden dann auch die Professuren etatmäig in ihrer jeweiligen Disziplin bzw. Fakultät verankert. Fraenkel versprach sich von dieser Lösung Impulse für Lehre und Forschung sowohl in den betroffenen Fachinstituten als auch im fächerübergreifenden Amerika-Institut, und zwar insbesondere durch vergleichende Themenstellungen. In Bezug auf seine eigene Professur am Otto-Suhr-Institut, die er in die Doppelverankerung mit einbeziehen wollte, formulierte er mit Blick auf amerikanische Förderer:

"General opinion at the University holds that American Government can be most fruitfully approached from the comparative point of view and that the study of both American and German political patterns will yield greater results in a carefully co-ordinated program of teaching and research. The chair could be described as 'Comparative Government with special emphasis on the American Political System'." [2]

In ihren vorbereitenden Memoranden beriefen sich Fraenkel und seine Mitstreiter mehrfach auf das höchst erfolgreiche interdisziplinäre Osteuropa-Institut der FU als Modell für das neue Amerika-Institut. Dies zeigt, dass sie von Anfang an beabsichtigten, das Zentrum für Amerikastudien in Mitteleuropa zu errichten. In seinem Bericht zur Eröffnung des Instituts setzte Fraenkel diesem denn auch drei entsprechend ambitionierte Ziele:

  1. Ein Zentrum der Amerikaforschung zu sein, das geeignet ist, Gelehrten aus allen Ländern Europas die wesentlichen Quellen, Materialien und wissenschaftliche Literatur zum "Gesamtphänomen USA" zugänglich zu machen
  2. Ein Zentrum zur Ausbildung von (interdisziplinär orientierten) Amerikaspezialisten, das nachhaltig die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in den deutschen Amerikastudien vorantreibt
  3. Studienprogramme zu entwickeln, die einer breiten Gruppe von Studierenden "Kenntnisse der amerikanischen Literatur, Geschichte, Sozial- und Kulturwissenschaften nahe bringen, die [...] unerläßlich sind, damit die Vereinigten Staaten und die sie berührenden Probleme besser verstanden werden, als dies in der Vergangenheit der Fall war." [3]

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[2] Ernst Fraenkel, "Memorandum concerning the establishment of an inter-departmental America Institute at the Free University of Berlin", November 1962, zitiert nach W. P. Adams, Die Geschichte Nordamerikas und Berliner Hisoriker (Working Paper No. 15/1988, John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, Abteilung für Geschichte), Berlin 1988, S. 4.

[3] Zitiert nach http://web.fu-berlin.de/jfki/institute/presentation_d_01.shtml (25.03.2006).

 


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