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„Wir haben einen Guten verloren“ - Frank Unger ist gestorben

Woran lässt sich festmachen, was das Besondere an Frank Unger war, was ihn ausmachte als unseren Dozenten und Freund, und warum er uns, seinen Studenten, so sehr fehlen wird? Wohl an der Tatsache, dass die Worte „offen, hilfsbereit und menschlich“ diejenigen sind, die man in den Wochen nach seinem Tod am Institut am meisten gehört hat. Daran, dass so viele von uns keinen anderen Dozenten erlebt haben, der so spannend, so vielschichtig, so inspirierend und so unterhaltsam war wie er. Und nicht zuletzt daran, dass er sich wie kein Zweiter mit uns Studierenden auf Augenhöhe begab, respektierte und kritisierte, unterstützte und betreute, forderte und herausforderte … und nun die größtmögliche Lücke hinterlässt.

Frank hat gesagt, was er meinte, getan, was er für richtig hielt, und um beides nie großen Wirbel gemacht. Nie hat man bei ihm die typische Distanz zwischen Professor und Studierenden wahrgenommen. Mit ihm sprach man von Mensch zu Mensch, bei gegenseitigem Interesse. Wenn man Frank zufällig auf der Straße begegnete, dann wusste man, dass man nicht wie von so vielen anderen Lehrenden ignoriert werden würde oder nur ein höfliches Kopfnicken erntete. Viel eher konnte es geschehen, dass man sich in einem ausgedehnten Gespräch mit ihm wiederfand - manchmal auch bei einer Tasse Kaffee. Dabei hat er sich selbst und Andere nie zu ernst genommen, aber immer ernst genug, um mit Anteilnahme und Unterstützung bei seinen Studenten zu sein. Wenn man mit Studienproblemen, Prüfungssorgen oder Selbstzweifeln zu ihm kam, erhielt man beruhigende Worte, ermunternden Zuspruch und guten Rat. Sich bei Frank prüfen zu lassen, kam wohl so nah an ein gutes Gespräch unter Freunden heran, wie nur möglich. So erzählte er oft vor seinen Prüfungen, warum er so gerne prüfe: Weil er damit die Chance erhielte, mit den Studierenden, die er sonst oft nur oberflächlich aus dem Seminar kannte, einmal tiefer gehend zu diskutieren und herauszufinden, was denn deren Ansichten seien. Dieses Interesse an seinen Studierenden und der Respekt vor ihnen als dem wissenschaftlichen Nachwuchs, aber vor allem auch als Menschen - mit eigenem Wert, eigenen Gedanken - zeigte sich allerorten. Viele von uns können deswegen mit anschaulichen Beispielen aufwarten wie den folgenden.

Auf die Frage, ob man denn einmal einen Blick auf die von ihm korrigierte Abschlussarbeit werfen könne, sagte er nur, er schreibe keinerlei Anmerkungen in die Arbeiten. Das tue er nie, denn das erscheine ihm nicht respektvoll genug gegenüber der vielen Mühe, die man sich als junger Wissenschaftler damit gegeben habe. Er würde lieber post-its verwenden und seine Anmerkungen dann direkt in das Gutachten übertragen. Bei Einsicht des Gutachtens konnte man dann schnell erkennen, wie viel Arbeit er sich damit gemacht hatte. Einmal darauf angesprochen, war er darüber erstaunt, dass man sich die Gutachten überhaupt ansehen könne. Und doch hatte er so viel Wert auf eine ganz genau passend formulierte Beurteilung gelegt, auch wenn sie wohl nie jemand würde lesen können. Solch ein Prüfer und Betreuer war Frank Unger – und auch einer, der sich dazusetzte und einen Sekt mittrank, wenn man nach bestandener Prüfung vor dem Institut feierte.

Frank hatte aber auch noch eine andere Seite. Er liebte es, zu provozieren, uns Studierende mit zugespitzten Statements aufzurütteln, harte Kritik an fragwürdigen Charakteren und offensichtlichen Missständen zu üben. So veröffentlichte er noch am Tag seines Todes eine vernichtende Kritik an George W. Bush und genau ein Jahr zuvor kam sein Nachruf auf Jerry Falwell eher einer posthumen Abrechnung gleich. Solche Aussagen jenseits aller politischen Korrektheit spiegelten jedoch mitnichten einen bösartigen Zug in Frank Ungers Charakter, sondern vielmehr die Leidenschaft, gegen die Dinge und Menschen anzugehen, die er einfach verurteilen musste. Ein Streben nach Gerechtigkeit und Wahrheit und gegen falsche Politik trieb ihn an, und vor allem auch ein Streben danach, seine Studierenden aufzurütteln, zum Nachdenken zu bringen, ihnen etwas von seiner eigenen Leidenschaft, seinem eigenen Interesse mitzugeben. Traurig sah man ihn, wenn ihm Gleichgültigkeit und Desinteresse entgegenschlugen. Dies geschah am Institut allerdings nicht allzu oft, denn seine Seminare waren spannend, wachrüttelnd und lehrreich – und er selbst war regelmäßig das Gespräch des Tages wegen seiner legendären Analysen, mit denen er die Zustände so prägnant, provokativ und erfrischend unkorrekt auf den Punkt brachte, dass es eine Freude war. Auch wir Studierenden kamen nicht immer ungeschoren davon. Ein schöner solcher Satz fand sich im Kondolenzbuch: „Mensch Leute, ihr müsst doch mal nachdenken…!!“

All das machte Frank Unger aus. Und noch vieles mehr, was den Rahmen dieses Textes unweigerlich sprengen würde. Am besten treffen es wohl die Worte einer seiner Studentinnen: „Wir haben einen Guten verloren. Frank Unger wird uns fehlen!“ Ja, Frank fehlt uns sogar sehr! Dennoch darf man hinzufügen: Wir dürfen uns vor allem auch glücklich schätzen, ihn gehabt zu haben. Wir sollten Frank immer in Erinnerung behalten, uns von ihm inspirieren lassen und nie aufhören, wissend vor uns hin zu lächeln, wenn wir uns an einen der vielen besonderen Momente mit ihm erinnern. Und wir dürfen hoffen, dass zumindest diese Erinnerung, sein Geist und auch seine Schriften noch lange in uns, diesem Institut und darüber hinaus weiterleben werden.

(Tim David Kremser)