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Seventh Day Adventist Church

Seventh-day Adventist Church

 

Feldbericht von Lena Domröse

(Aufenthalt: 9.-13. April 2006)

 

INHALT:

  1. Mitgliedschaft der Gemeinde und der Sabbath am Samstag
  2. Biographie des Pastors
  3. Beschreibung eines Samstag-Gottesdienstes
  4. Aktivitäten der Gemeinde: Bible Studies, Prayer Sessions, food pantry, prophecy countdown-Vortragsreihe
  5. Endzeitvorstellungen
  6. Bildung: die Grundschule der Adventisten
  7. Politik und Mission

 

1. Mitgliedschaft der Gemeinde und der Sabbath am Samstag

Bei den Seventh-day Adventists handelt es sich um eine kleine, größtenteils weiße Gemeinde, deren Mitglieder vorwiegend der Mittelschicht angehören und über 65 Jahre alt oder noch Kinder sind. Seit 2002 war ein Wachstumstrend zu erkennen. Von den 240 Mitgliedern der Gemeinde sind ca. 60 erst in den letzten viereinhalb Jahren dazugekommen.

Etwa die Hälfte aller Mitglieder kommt regelmäßig zum Gottesdienst am Samstag. Dass der Samstag der Tag des Sabbath ist und dass sich viele Aktivitäten (wie Bibelstunden oder Taufen) daher an diesem Tag abspielen und nicht wie in fast allen anderen Kirchen am Sonntag, ist für die Seventh-day Adventists sehr wichtig und ein Hauptunterschied zu den Evangelikalen „die die Bibel nicht oder falsch verstehen“ (Zitat von Pastor Peter Watts). Gottes Arbeitswoche, so die Adventisten, begann am Sonntag. Damit ist der siebte Tag (der Ruhe) logischerweise der Samstag. Trotzdem sich die Adventisten hier als einzige und damit einzigartig im Einklang mit Gottes Wort fühlen („The Baptists with their Sunday service got the bible wrong in this respect.“), lässt sich Pastor Peter Watts (67) dennoch zu Aussagen hinreißen wie “… but you know, we might have got something wrong, too.“

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2. Biographie des Pastors

Peter Watts hat feste Überzeugungen aber dogmatisch ist er nicht. Früher war Watts Baptist und zeitweilig sogar fast Atheist, da er sich stark von der Kirche entfernte und sich seiner High School- bzw. College- Basketballkarriere zuwandte. Auch während seiner Arbeit als Unternehmer in einer Hotel und Gift-Shop-Kette, die ihn zum Millionär machte, spielte die Kirche zunächst keine bedeutende Rolle in seinem Leben. Durch die Ehe mit seiner Frau, die heute die Lehrerin der angeschlossenen Roanoke Adventist Prepratory School ist und mit der er fünf Kinder hat, kam er dem Glauben wieder näher. Diane Watts war von jeher SDA und als Watts mit ihr zum Gottesdienst ging, fand er Gefallen an dieser Denomination und konvertierte schließlich  zu den Adventisten. Nach mehrjährigem Engagement bei den „Elders“ einer Adventistengemeinde geschah „eines der vielen Wunder“ im Leben von Watts und ein Vorstandsmitglied des SDA–Dachverbandes fragte ihn unerwartet am Telefon: „Do you want to become the pastor of one of our churches?“ Obwohl zunächst zögerlich, nahm Watts an, kündigte sein Managerleben und wurde Pastor. Während Watts von seinem Lebensweg erzählt, zeigt er viel Humor und Offenheit.  Außerdem fällt seine Jugendlichkeit auf. Trotz seines Alters ist er in guter körperlicher Verfassung, was er u. a. mit seiner vegetarischen Ernährung begründet. Diese ist für viele SDAs Teil des healthy living, das begründet wird mit der Ansicht, dass der Körper der „Temple of the holy spirit“ sei.  

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3. Beschreibung eines Samstag-Gottesdienstes

Die Samstag-Predigt von Watts ist humorvoll und mit kleinen Anekdoten gespickt. Sowohl der Gottesdienst als auch seine Worte sind jedoch eher einfach gehalten. Als künstlerische Einlage gibt es ein Trompetensolo eines afroamerikanischen vielleicht 12-jährigen Jungen und einige Lieder des kleinen Chors. Dann wird die Spende für die Kirche eingesammelt und auf den Knien gebetet.

Höhepunkte dieses Gottesdienstes sind die „Taufe“ eines 2- Jährigen und die Fußwaschung. Bei der „Taufe“ handelt es sich eher um eine Art Segnung, da die SDAs, Menschen nur dann richtig taufen (also durch Eintauchen in Wasser), wenn diese alt und reif genug sind, sich selber dafür zu entscheiden. Dem kleinen Jungen legt der Pastor also lediglich die Hand auf den Rücken und spricht mit der Familie, die dabei im Kreis steht, ein Gebet.

Die Fußwaschung, die der Kommunion voran geht, findet im Keller des Gebäudes statt und wird als „aktive Demut“ (ganz nach Jesus Vorbild) verstanden. Einige Stühle werden kreisförmig aufgestellt und man findet sich zu Paaren zusammen (Männer und Frauen getrennt). Die Teilnahme ist freiwillig. Mit einer Kelle wird warmes Wasser in Emailleschüsseln gegossen und zusammen mit Handtüchern an die Beteiligten verteilt.  Während der Wäscher zu den Füßen des anderen auf dem Boden kniet, sitzt der, dem die Füße gewaschen werden, auf einem Stuhl.  Man stellt nun nacheinander die Füße in die Schüssel und der Kniende schöpft mit den Händen ein bisschen Wasser darauf. (Seltsam fand ich dabei, dass die meisten Frauen ihre (Fein-)Strumpfhosen  anbehielten.)

Danach sprachen einige Gemeindemitglieder ein Gebet und küssten die Füße des anderen bevor sie sie schließlich abtrockneten. Das Wasser wurde ausgewechselt und die Plätze getauscht. Anschließend gingen wir wieder in die Kirche und beendeten den Gottesdienst mit dem Abendmahl (Brot und roter Saft). Traditionell folgt nach dem Gottesdienst ein gemütliches Mittagessen (meist vegetarisch) in der Schulturnhalle des Kirchengebäudes, zu dem jeder kommen kann, der will. Das Essen wird von den Gemeindemitgliedern selber zubereitet oder mitgebracht. Diese gesellige Runde dient dazu, sich besser kennen zu lernen. An „meinem“ Samstag kamen jedoch nur ca. 14 Personen. Bei diesem Lunch lernte ich Lillian kennen.

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4. Aktivitäten der Gemeinde: Bible Studies, Prayer Sessions, food pantry, prophecy countdown-Vortragsreihe

Lillian ist im Auftrag des SDA-Dachverbandes unterwegs und gibt Bibelstunden sowohl in Gruppen in der Kirche als auch privat zu Hause (home bible studies) oder „virtuell“ (so genannte drop-offs). Für die home bible studies hat sie Arbeitsblätter nach Lektionen geordnet und in unterschiedliche Niveaus aufgeteilt. Der Schüler muss zwischen den Treffen selbstständig bestimmte Lückentexte ausfüllen und damit zeigen, dass er die Bibelstellen gelesen und verstanden hat. In den Bibelstunden (60 Minuten) werden dann gemeinsam und nach einem kurzen Gebet bestimmte Passagen besprochen oder erklärt. Was bei der Bibelstunde auffiel, bei der ich dabei war („The good news about the prophecy of Daniel Chapter 7), ist, dass die „Schülerin“ Tracey, eine ca. 40jährige allein stehende, schwerkranke Mutter, eigentlich nichts vom den verstanden hat, was besprochen wurde. Es war ihr auch nicht möglich, die Lektion der letzten Woche mit dem neuen Stoff zu verknüpfen. Klar wurde aber, dass sie ihr Bestes gegeben hatte und dass diese Bibelstunden und der Wille zu Glauben ihr in ihrer äußerst schwierigen Lebenssituation wie ein Rettungsanker erscheinen. Tracey hatte den Glauben erst vor wenigen Wochen oder Monaten gefunden und ist seitdem zuversichtlich  und erfüllt. Sie erzählte während der Bibelstunde sogar, dass sie beim letzten schweren Unwetter die Bibel während der ganzen Nacht umklammert hielt, und sich so geschützt fühlte. Was mich teilweise schockierte war die Offenheit mit der Tracey Fremden über ihre bedrückende Lebenslage berichtete und der Fakt, dass fast kein Schamgefühl vorhanden war. Es schien, als ob der neu gefundene Glaube alles andere nebensächlich werden ließ.

Lillian hat jede Woche 5-6 Privatstunden und einige Dropp-Offs. Auf diese Weise lernt sie die Menschen ihrer Gemeinde und deren Lebenssituation kennen und kann eventuell auch helfend einspringen. (In der total verdreckten Wohnung von Tracey wollte sie beispielsweise eine Putzaktion initiieren.) Als direkte Hilfe für Gemeindemitglieder in Not veranstalten die SDA außerdem Prayer Sessions, in denen für diese Menschen gebetet wird. Außerdem gibt es einen food pantry in der Kirche, der an den meisten Tagen auch von einem Gemeindemitglied in Anspruch genommen wird.

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5. Endzeitvorstellungen

Ein weites einschneidendes Erlebnis, an dem ich teilgenommen hatte, waren Teile  der „Prophecy Countdown“ -Vortragsreihe über das nahende Armageddon - gehalten von Dave Weigley,einem SDA-Speaker. Das Event wurde in einem Vortragsraum eines Roanoker Hotels abgehalten und von Pastor Watts eingeleitet. Bereits im Vorraum wurden Interessierten Bibeln ausgeliehen, sodass sie die entsprechenden Belegstellen für das nahende Ende unserer Erde simultan mitlesen konnten. Die zweite Lesung der Veranstaltung „On the Eve of Armageddon“ war sehr gut besucht und ein voller Erfolg. Weigley bezog sich in seinen Powerpoint-Vorträgen hauptsächlich auf die Bücher Daniel und Revelation und unterlegte die These, dass wir kurz vor der „end of time“ stünden mit aussagekräftigen Bildern von Hurrikans, Tsunamis, Erdbeben oder Kriegen. Seine eingestreuten Witze und Publikumsfragen machten die Veranstaltung zu einem wahren Entertainment. Die zweite von mir besuchte Lesung „The Rise of the Anti-Christ“ , die als vierter Teil gelistet wurde, war wesentlich unspektakulärer, fast möchte ich sagen „lahm“. Die Bibelstellen, die dafür herangezogen wurden, schienen noch willkürlicher ausgewählt und interpretiert als die in der anderen Session. Die PP-Folien irgendwelcher  Fantasielöwen mit Flügeln oder Hörnern waren kaum zu ertragen. Ich hatte den Eindruck, dass Teile des Publikums dem Vortrag nicht immer genau folgen konnten.

Die nahende Endzeit ist jedoch für die SDA zentral und nur wer zu Jesus findet, wird ins Paradies gelangen. Folgerichtig ist es ein Anliegen der SDA den Menschen klarzumachen, wie wichtig es ist Jesus zu finden, damit man nicht in die Hölle kommt. Als ich meinem Pastor sagte, dass ein ewiges Leben (im Paradies) für mich nicht wünschenswert sei, weil ich das Konzept der „Ewigkeit“ nicht möge, sagte er : „But I want you to be in heaven“.

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6. Bildung: die Grundschule der Adventisten

Eine wichtige Rolle bei den SDA spielt Bildung. Es ist für einen SDA möglich, die Zeit von Day Care bis zum College in SDA- Institutionen zu verbringen. Die Gemeinde in Roanoke hat eine angeschlossene Grundschule und Kindertagestätte bzw. Nachmittagsbetreuung. Es gab zwei Klassen, zwei Lehrer und ca. 22 Schüler. Die Erst- bis Drittklässler bzw. die Dritt- bis Achtklässler werden zusammen unterrichtet.

Das anfallende Schulgeld beträgt 150 $ pro Monat, wobei niemand, der diese Summe nicht aufbringen kann, abgeschoben wird. Die Finanzierung wird bei 50% der Kinder von Spenden anderer getragen. Die Schule ist grundsätzlich auch anderen Denominationen offen, obwohl im Religionsunterricht natürlich die Ansichten der SDA gelehrt werden.

Der Schulalltag beginnt im Allgemeinen 8.30 Uhr und endet 15.00 Uhr. Jeder Schüler hat seinen persönlichen Stundenplan und andere Aufgaben (je nach Klassenstufe). Die meiste Arbeit erledigen sie selbstständig. Die Lehrerin, Diane Watts, und die Teaching Assistant (Laura Watts) sind aber jederzeit da, um bei Fragen zu helfen. Gehören mehrere Schüler dergleichen Klassenstufe an und beginnen ein neues Thema  (z.B. Dezimaldivision), dann gibt es auch mal Kleingruppenunterricht an dem Tisch vor der Tafel.  Obwohl normalerweise jeder etwas anderes macht, ist es ziemlich ruhig und geordnet in der Klasse.

Disziplin wird an der Schule sehr ernst genommen. In den Fluren findet man Schilder „No shoving, no talking, no running, no sliding on stairway rails.” Wenn ein/e Schüler/in auf Toilette gehen will, schreibt er/sie den Namen an die Tafel und wischt ihn wieder weg, wenn er/sie wiederkommt. Es gibt außerdem „Betragenskarten“ für jeden (blau, grün, gelb, rot). Diese stecken hinter einer Namenskarte, die sich an einem zentralen Ort im Klassenzimmer befindet. Bei ungezogenem Benehmen wird eine farbige Karte (je nach „Schwere“ des Vergehens) vor den Namen geheftet, sodass es jeder sehen kann. Überhaupt gibt es in dieser Schule und Klasse keine Geheimnisse. Jeder kennt die Zensuren und Fehltritte der anderen aber auch seine Geschichte und seinen Hintergrund. Das hat Vor- und Nachteile, wie die Lehrerin zugibt. In jedem Fall aber ist es wie in einer Familie.

Ich werde an diesem Tag Zeuge eines außergewöhnlichen Vorfalls. Während die Lehrerin kurz draußen ist, googeln einige Schüler sexuell anzügliche Begriffe an den jederzeit zu Recherchezwecken benutzbaren Computern. Als sie wiederkommt, verpetzt ein Kind seine Mitschüler. Die Lehrerin stellt den verstörten Straftäter zur Rede und gibt ihm als Konsequenz die gelbe Karte. (Die rote Karte wäre am schlimmsten. Wer die dreimal bekommt, dessen Eltern werden in die Schule geladen. Aber selbst die sanfte blaue oder grüne Verwarnung sind sehr selten.) Die Nachricht verbreitet sich in der Schule wie ein Lauffeuer und Laura Watts, die während der Tat im Raum war aber nichts mitbekommen hat, ist total verstört. Am bewegendsten ist die Reaktion von Kirstin, einer Baptisten der 7.Klasse, die mich bittet, diesen „Vorfall“ nicht aufzuschreiben: „We are good kids, you know.“ Hier wurde mir das erste Mal bewusst, dass die Kinder mich als Beobachterin wahrnehmen, die ihre Ergebnisse später in Deutschland präsentieren wird und dass sie sich deshalb von ihrer besten Seite zeigen wollen.  Das Gefühl des Beobachters, der das  Geschehen unbewusst beeinflusst, hatte ich bei den anderen Aktivitäten der SDA nicht. Dort war ich eher „Teilnehmerin aus Deutschland“.

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7. Politik  und Mission

Die SDA seien politisch eher unabhängig oder neutral, so Watts. Auch die SDA- Missionare weltweit „stay out of Politics and rather help people economically” (Peter Watts), wie in Nord-Korea und Zaire zu sehen ist. Das Geld dafür kommt aus dem Zehnt (des Einkommens), den jedes Gemeindemitglied monatlich der Kirche gibt und den zusätzlichen freiwilligen Spenden. Die Gemeinde in Roanoke erwarb damit im letzten Jahr eine Summe von 235.000 $ + 100.000$.

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